Babylonische Verwirrung im ARM-Modulmarkt

Babylonische Verwirrung im ARM-Modulmarkt

Im Wettrennen um die Marktführung liegen ARM-Prozessoren stückzahlenmäßig inzwischen vor Prozessoren mit x86-Architektur, da viele Geräte im Massenmarkt wie u.a. Mobiltelefone und PDAs auf ARM-Prozessoren setzen. Im Embedded Markt und hier speziell im Modulmarkt hat die x86-Architektur jedoch noch die Nase vorn. Die Leistungsfähigkeit der ARM-Prozessoren hat aber in den letzten Jahren stetig zugenommen und in der Anzahl und der Art der Schnittstellen wird der ARM-Prozessor einem x86-Prozessor immer ähnlicher. Damit wurde der ARM-Prozessor für den Embedded Modulmarkt interessant. Im Gegensatz zum x86-Modulmarkt, bei dem sich Standards klar durchgesetzt haben, zeigt sich der ARM-Modulmarkt sehr divergent. Wo bleiben hier die Standards?
Standards werden entweder von Non-Profit Organisationen wie unter anderem der PICMG oder von Interessensgemeinschaften definiert. In aller Regel steht dahinter der Druck vom Markt, um eine Technologie zu akzeptieren und einzusetzen. Standards haben sich überall dort entwickelt, wo es eine große Übereinstimmung der benötigten und angebotenen Funktionen gibt. Beispiele aus dem Embedded Modulmarkt sind ETX als Standard einer Interessengemeinschaft und COM Express als Standard verwaltet unter der PICMG. Absolute Standards wie COM Express haben einen langen Prozess der Festlegung der Funktionen, der bis zu zwei Jahre oder länger dauern kann, sind aber dann unter verschiedenen Anbietern absolut austauschbar und entsprechend langfristig verfügbar. Absolute Standards sind aber manchmal nur ein Kompromiss, der mühsam in den entsprechenden Gremien ausgehandelt wird, da hier viele Köche mitkochen. Standards von Interessengemeinschaften wie unter anderem ETX sind relativ schnell definiert, die angebotenen Produkte können aber unter Umständen nicht in allen Punkten austauschbar sein. In jedem Fall erhöht die Standardisierung die Akzeptanz im Markt und öffnet auch teilweise den Markt für neue Anwendungen.

Standardisierung für höhere Akzeptanz

In der x86-Welt haben sich in den letzten Jahren ETX, XTX, Qseven und COM Express klar durchgesetzt. Dabei war ETX fast zehn Jahre lang der Industriestandard schlechthin. Dies war möglich, da die Art und Anzahl der PC-Schnittstellen sich in dieser Zeit nicht verändert haben. Erst mit dem Wechsel zu den seriellen Schnittstellen wie unter anderem SATA und PCI Express und zu höheren Übertragungsgeschwindigkeiten wurden neue Standards notwendig. Eine erste Brücke bildet hier XTX und mit COM Express wurde der erste echte Modulstandard 2006 am Markt eingeführt. Bis auf wenige Ausnahmen und Exoten hat sich die x86-Modulwelt COM Express verschrieben und kein Anbieter kann ohne COM Express im Portfolio erfolgreich im x86-Markt agieren.

COM Express, der erste echte Modulstandard

In den letzten zwei bis drei Jahren drängte der ARM-Prozessor verstärkt in den Industriemarkt und damit auch in den Embedded Modulmarkt. Geebnet haben diesen Weg verschiedene Chiphersteller, wie u.a. Freescale, Samsung und TI, die den ARM Core in die eigenen Chips integriert haben und mit zusätzlichen speziellen Funktionen ausgestattet haben. Neben den Standardschnittstellen wie Ethernet, USB, Serial, Speicherinterface und Grafik hat jeder Hersteller seine ‚Specials‘, je nach Marktadressierung. Dazu können unter anderem Kamera Interface, ADC, GPIO, Keypad, SATA, MMC und SD Card oder I²C Interface zählen. Und genau hier fängt das Problem der Standardisierung an. Im x86-Markt sind die Schnittstellen und sonstige Funktionen fest definiert und damit ist eine Funktionsfestlegung und eine normierte Schnittstelle einfach zu definieren. Jeder angebotene x86-Prozessor und Chipsatz passt quasi in dieses Raster. Bei den angebotenen ARM-Prozessoren ist die Schnittstellenvariation so groß und lässt sich nicht einfach in ein Schema pressen. Die meisten der Prozessoren einer Gruppe (ARM9, ARM11, etc.) haben zwar eine Anzahl Schnittstellen, die allen gemeinsam sind, aber die Prozessor-Hersteller bringen jeweils ihre speziellen Kenntnisse und Marktanforderungen über die ‚Special‘ in dem Chip unter. Eine Standardisierung würde heißen: ca. 60% sind fix definiert und 40% sind herstellerspezifisch. Noch schwieriger würde sich ein Standard über die Leistungsklassen von ARM9 bis Cortex A9 gestalten. Ein Embedded Standardmodul, das alle Funktionen der unterschiedlichen Anbieter berücksichtigen würde, hätte also viele Pins, die meist nicht benutzt würden. Ein so definiertes Modul könnte bei 400Pins alle Signale nach außen führen, wobei ca. 200Pins die gemeinsamen Pins darstellen und 200Pins je nach Hersteller unterschiedlich belegt sein könnten. Also nicht wirklich ein Standard und austauschbar. Und überflüssige Pins kosten Geld und machen ein Modul in aller Regel unnötig groß. Es ist jedoch abzusehen, dass im oberen Leistungssegment der ARM-Prozessoren die Angleichung an die x86-Welt immer mehr zunimmt und damit eine Standardisierung wie im x86-Modulmarkt möglich erscheint. Welche Ansätze werden aber heute schon im Markt angeboten?

Wechsel ohne Probleme möglich

Einige Anbieter im Markt haben ihren ‚Hausstandard definiert‘. Um das Modul nicht zu groß werden zu lassen, sind bei den Hausstandards in aller Regel jedoch nur maximal 60% der Schnittstellen verfügbar, und zwar die, die allen Prozessoren gemeinsam sind. Dies führt im Extremfall bei einem am Markt angebotenen Standard mit 100 definierten Pins, davon ca. 70 Signalpins, beim Einsatz eines TI OMAP35xx mit ca. 250 Signalen zu ca. 180 Signalen, die nicht aus dem Modul herausgeführt sind, also für den Anwender nicht zur Verfügung stehen. Im x86-Markt macht der Wechsel eines Moduls durchaus Sinn, wenn beispielsweise die Anwendung mehr Leistung benötigt. Da der Kern immer x86 ist, also die Software auch immer gleich ist, ist ein Wechsel von etwa einem COM Express-Modul zum nächsten ohne Probleme möglich. Bei den sogenannten Hausstandards werden sogar oft unterschiedliche Prozessoren von ARM9 bis x86 angeboten, was zwar eine Leistungsbandbreite repräsentiert, aber unterschiedliche Software benötigt. Ein Tausch, speziell auch noch bei unterschiedlichen Größen erscheint mehr als ein Marketingargument, weniger eine wirkliche Lösung. Ein weiterer Weg zur Standardisierung ist eine Ableitung aus dem x86-Bereich. Es werden Qseven Boards unter anderem mit ARM9-Prozessoren angeboten. Dabei stehen Signale des Qseven-Standards nicht zur Verfügung oder werden durch aufwändige Zusatzbeschaltungen simuliert. Der deutliche Vorteil der sehr geringen Verlustleistung eines ARM-Prozessors geht hier teilweise wieder verloren. Auch hier gilt, viel ungenutzte Fläche, die bezahlt werden muss und viele Funktionen des ARM-Prozessors, die in der Anwendung nicht zur Verfügung stehen. Wie bereits oben beschrieben, macht das nur Sinn bei den leistungsstärksten ARM-Prozessoren, mit fast x86-Funktionalität. Hier gehen nur die restlichen spezifischen ARM-Prozessor-Funktionen verloren.

Volle Prozessorfunktionalität

Aus heutiger Sicht ist ein Standard für ARM-Module nicht in Sicht und wahrscheinlich auch nicht realisierbar. Dies belegen die fast 40 Anbieter im Modulmarkt mit fast 60 unterschiedlichen Formfaktoren. Sinnvoller erscheint ein optimiertes Modul für eine Prozessorfamilie, das die volle Prozessorfunktionalität zur Verfügung stellt und gleichzeitig die Vorteile eines Moduls bietet. Betrachtet man die Module der unterschiedlichen Anbieter im Detail, werden deutliche Unterschiede sichtbar. Dabei ist ganz entscheidend, welche Parameter für die Anwendung wichtig sind. Primäres Kriterium ist natürlich die Leistungsfähigkeit des Prozessors, die geforderten Schnittstellen und eventuelle sonstige Randparameter. Nach der prinzipiellen Festlegung auf einen Prozessor ist die Entscheidung für das richtige Modul bei der Vielzahl der Anbieter nicht einfach. Ganz entscheidend kann unter Umständen die Größe des Moduls sein, ein noch recht augenscheinlicher Punkt bei den Modulen. Die zweite entscheidende Frage stellt sich bei dem Stecksystem. Ist das Stecksystem robust genug für die industrielle Anwendung und hält auch sicher bei höheren Schock und Vibrationsbelastungen? Kann der notwendige Gegenstecker vernünftig verarbeitet werden oder sind die Pin-Abstände zu filigran? Ist das Stecksystem für die Strombelastung des Moduls ausgelegt und schafft das Steckersystem die entsprechenden Übertragungsgeschwindigkeiten? Ganz wichtig ist natürlich die Frage der möglichen maximalen Speicherausstattung, um für alle Gegebenheiten gerüstet zu sein. Was hilft jedoch der beste Prozessor, wenn die benötigten Signale nicht auf dem Stecksystem zur Verfügung stehen? Und in den meisten Fällen wird die Frage der langfristigen Liefersicherheit eine wichtige Rolle spielen. Ist der ausgewählte Prozessor auf der Consumer Roadmap, also nur kurzfristig verfügbar oder auf der langfristig verfügbaren Embedded Roadmap zu finden? Wie sicher und wie lange sind die eingesetzten Speicher verfügbar? Und ganz entscheidend ist natürlich die Frage nach der Zuverlässigkeit des Anbieters heute und in Zukunft. Also viele Fragen, die sehr schnell die Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern deutlich machen und eine Entscheidung erleichtern sollten, also Klarheit in die babylonischen Verwirrung bringen.

TQ-Systems GmbH
www.tq-group.de

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