Make or buy?

IoT-Plattformen

Make or buy?

Aktuell beschäftigen sich viele Unternehmen im Rahmen ihrer IoT-Projekte mit einer weitreichenden Grundsatzentscheidung: Soll eine der zahlreichen am Markt verfügbaren IoT-Plattformen verwendet werden oder entwickelt man eine solche Plattform besser selbst? Neben den benötigten Funktionen, den Kosten und der Umsetzungsgeschwindigkeit spielen dabei insbesondere auch strategische Überlegungen eine Rolle. Als IoT-Dienstleister begleitete tresmo in den vergangenen Jahren häufig solche Entscheidungen sowie deren technische Umsetzung und kann einige zentrale Erfahrungen teilen.

IoT-Plattformen sind Software-Systeme, die die Entwicklung und den Betrieb von IoT-Lösungen unterstützen. Vereinfacht gesagt fungieren sie als Mittler zwischen den Dingen und den Anwendungen und beschleunigen die Umsetzung eines IoT-Vorhabens erheblich, indem sie standardmäßig bereits viele grundlegende Funktionalitäten von IoT-Lösungen bereitstellen, beispielsweise Connectivity, APIs, Geräteverwaltung und Datenmanagement sowie -Visualisierung.

Die Qual der Wahl

Mehr als 500 verschiedene Plattformen sind derzeit am Markt verfügbar, mit teilweise ganz unterschiedlichen Einsatzbereichen, unterstützten Technologien, Features, Datenschutzbestimmungen und Preismodellen. Das Angebot hat sich seit 2015 etwa verdoppelt und wächst gegenwärtig noch immer weiter. Die Anbieter lassen sich im Wesentlichen in vier Gruppen einteilen:

• Technologie-Riesen wie beispielsweise Amazon und Microsoft. Die beiden sind auch die unangefochtenen Marktführer für IoT-Plattformen.
• Industrie-Konzerne wie beispielsweise Siemens, General Electric und Bosch. Diese bieten häufig auf industrielle Anwendungsfälle spezialisierte IIoT-Plattformen an.
• Telcos wie beispielsweise Telefónica oder Vodafone. Diese bauen ihre Connectivity-Angebote immer stärker zu End-to-End-Lösungen aus.
• Start-ups wie beispielsweise relayr.

Viele der Plattformen agieren mittlerweile Branchen- und Anwendungsfall-übergreifend, während die Anzahl spezialisierter Plattformen sinkt. Die einzelnen Angebote sind schwer zu vergleichen. Auch Studien dazu sind zumeist recht oberflächlich, da sich auf Basis der Marketingmaterialien der Anbieter bezüglich zahlreicher kritischer Aspekte kaum belastbare Vergleiche erstellen lassen. Am besten lassen sich die Angebote bewerten, wenn man mit den führenden IoT-Plattformen bereits umfangreiche Implementierungserfahrungen sammeln konnte.

Sinn oder Unsinn?

Doch immer wieder möchten Unternehmen noch einen Schritt weiter gehen und nicht nur eine passende Auswahl aus dem großen Plattformangebot treffen, sondern gleich selbst eine IoT-Plattform entwickeln. Für die Beurteilung der Sinnhaftigkeit eines solchen Vorhabens, empfiehlt sich zunächst eine Differenzierung nach den drei grundsätzlichen strategischen Stoßrichtungen von IoT-Projekten:
• Smart Value Chain: Unternehmen möchten ihre Produktion, Logistik und sonstige betrieblichen Aktivitäten vernetzen mit dem Ziel, Effizienz, Geschwindigkeit und Transparenz ihrer innerbetrieblichen Prozesse zu steigern.
• Smart Products & Services: Unternehmen möchten ihre Produkte vernetzen und ihren Kunden auf dieser Basis datengetriebene digitale Services wie beispielsweise Predictive Maintenance anbieten. Diese Initiativen reagieren auf veränderte Kundenbedürfnisse, schaffen zusätzliche Differenzierungsmerkmale und ermöglichen innovative Geschäftsmodelle.
• IoT Platform Monetization: Neue IoT-Plattformen werden geschaffen und am Markt als eigenständige Geschäftsmodelle angeboten.

Grundsätzlich impliziert die jeweilige strategische Stoßrichtung bereits die Antwort auf die Frage, ob die Eigenentwicklung einer IoT-Plattform sinnvoll ist. In Bezug auf die Smart Value Chain empfiehlt sich für die Anwender vernetzter Geräte, Maschinen und Anlagen die Verwendung einer Standard-IoT-Plattform, anstatt aufwändig das ‚Rad neu zu erfinden‘ und die üblichen Schnittstellen und Datenprotokolle selbst zu schaffen und anzubinden. Wenn es um ‚Smart Products & Services‘ geht, sprechen zahlreiche gewichtige Argumente gegen eine Eigenentwicklung: Die Realisierung von IoT-Lösungen auf Basis selbst entwickelter Plattformen dauert mit etwa zwei bis vier Jahren deutlich länger als bei der Verwendung kommerzieller IoT-Plattformen – zu langsam für viele Märkte. Wesentlich höhere Entwicklungskosten entstehen initial und laufend für die Weiterentwicklung. Teilweise gibt es erhebliche funktionale Nachteile aufgrund des fehlenden Ökosystems, das die großen Plattformen bereits über Jahre aufgebaut haben. Nicht zuletzt könnte ein hoher Aufwand für die laufende Aktualisierung der IT-Security auf Unternehmen zukommen – für Plattformanbieter dagegen eine ihrer Kernkompetenzen. Richtig ist jedoch, dass domänenspezifisches Know-how nicht mit den Anbietern der IoT-Plattformen geteilt wird, schließlich sind Daten ‚das neue Öl‘ mit oftmals noch unbekanntem strategischen Wert. Dies lässt sich jedoch deutlich schneller und günstiger durch eine intelligente IT-Architektur gewährleisten, anstatt die gesamte IoT-Plattform selbst zu entwickeln.

Wichtig an dieser Stelle ist auch die Unterscheidung zwischen den hier thematisierten technischen IoT-Plattformen und sogenannten Plattform-Geschäftsmodellen. Letztere sind enorm skalierende digitale Angebote wie beispielsweise Uber, Airbnb oder Facebook, die viele verschiedene Individuen oder Parteien vernetzen. Deren grundlegender strategischer Erfolgsfaktor sind jedoch Netzwerkeffekte und nicht notwendigerweise die Überlegenheit der technologischen Plattform. Kurz: Auch Plattform-Geschäftsmodelle im IoT erfordern keinesfalls die Eigenentwicklung einer technischen IoT-Plattform, sondern lassen sich – bis auf die folgende Ausnahme – auch mit Standard-Plattformen abbilden. Ist das Ziel des IoT-Projektes die ‚IoT Platform Monetization‘, geht es tatsächlich um den Wettbewerb mit den existierenden kommerziellen IoT-Plattformen am Markt. Dabei wird in der Regel auf Basis bestehender IaaS-Cloud-Services wie beispielsweise Amazon Web Services oder Microsoft Azure eine eigene PaaS-Lösung angeboten. Zu bedenken ist jedoch, dass mit über 500 Angeboten fast jede attraktive Nische entweder bereits erschlossen ist oder dies zeitnah erfolgen wird.

Weiterhin sind die Kosten für den Aufbau einer IoT-Plattform enorm. Die großen Anbieter investieren jährlich jeweils bis zu eine Milliarde Euro allein in die Weiterentwicklung ihrer Lösungen. Wenige Anbieter machen jedoch bislang tatsächlich signifikante Umsätze damit. Der Wettbewerb ist enorm, eine Marktbereinigung durch Zusammenschlüsse, Akquisitionen und die Schließung von IoT-Plattformen in Kürze zu erwarten. Auch für Unternehmen aus Branchen, in denen das Angebot einer eigenen IoT-Plattform aus strategischen Gründen grundsätzlich sinnvoll sein kann – beispielsweise im Segment der Industrieautomation – will eine solche Investition also wohlüberlegt sein.

Ausblick

Die Eigenentwicklung von IoT-Plattformen macht nur in absoluten Ausnahmefällen Sinn. Mit einer Standard-IoT-Plattform lassen sich fast alle Anwendungsfälle – sowohl im Bereich Smart Value Chain als auch für Smart Products & Services deutlich schneller, günstiger und sicherer abdecken. Wichtig ist dabei jedoch eine sorgfältige Auswahl der Plattform sowie eine intelligente IT-Architektur, die domänenspezifische Daten vor dem Zugriff der Plattformanbieter schützt. Dabei ist die Hinzuziehung erfahrener und unabhängiger IoT-Systemintegratoren zu empfehlen, um teure und langwierige Fehlentscheidungen bei der Plattformauswahl zu vermeiden sowie eine schnelle und reibungslose Lösungsentwicklung zu gewährleisten.

Autor: Jan Rodig,
tresmo GmbH
www.tresmo.de

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