Software implementieren und absichern

Simulation statt Erprobung im Verkehr

Kooperative Fahrfunktionen können in den frühen Stadien der Entstehung aus Sicherheits- und Kostengründen nicht direkt auf der Straße erprobt werden. Stattdessen greifen Entwickler auf ein breites Spektrum an Simulationswerkzeugen zurück. Ausgehend von der umfassenden Modellierung des Systems, den benötigten Komponenten und auch der Umgebung können die Module und Konfigurationen für die jeweiligen Tools automatisch erzeugt werden. Durch eine Kombination von erprobten und validierten Simulatoren aus den Bereichen Verkehr, Fahrdynamik und Kommunikation können die geplanten Funktionen mit einem hohen Detailgrad untersucht und kontinuierlich verbessert werden. Aussagen zum Verhalten des Systems im Zusammenspiel mehrerer Fahrzeuge, zu Dimensionierung und Parametrierung von Algorithmen sowie zu möglichen Randbedingungen und Grenzen lassen sich so leicht ermitteln und im fortlaufenden Prozess berücksichtigen. Die Verwendung von etablierten Referenzszenarien verkürzt die Entwicklungszyklen zusätzlich, damit aus einer Idee schnell eine funktionsfähige und abgesicherte Softwarekomponente werden kann. Hat sich eine Funktion in der Simulation bewährt, kann sie mit geringem Aufwand direkt aus dem Modell in einen Prototypen überführt und so im Fahrzeug unter realistischen Bedingungen getestet werden. Hierzu stellt das Fraunhofer ESK mit dem ezCar2X- Framework eine Ausführungsumgebung bereit, in der die gleiche Codebasis wie in der Simulation Verwendung findet. Auf diese Weise lässt sich die mehrfache Implementierung der gleichen Funktionalität in unterschiedlichen Entwicklungsumgebungen vermeiden, was Fehler reduziert und ein nahtloses Wechseln zwischen verschiedenen Phasen der Entwicklung ermöglicht. Zusätzlich bietet die Umgebung eine Abstraktion für den Zugriff auf externe Komponenten wie Sensoren, Aktoren, Kommunikationsschnittstellen und Kartendaten. Hier können je nach Bedarf und Verfügbarkeit reale und virtuelle Blöcke gemischt werden, um etwa während einer Fahrt die Ausgabedaten aufzuzeichnen anstatt sie direkt in die Steuerung des Fahrzeuges einzuspeisen. Im Laufe der Erprobung in realen Fahrzeugen wird eine Vielzahl von Daten gesammelt. Die hierfür benötigten Mess- und Erfassungspunkte können jedoch bereits im Modell definiert werden. So ist es ohne weiteres möglich, die Ergebnisse von Versuchsfahrten direkt wieder in das Modell zu integrieren und mit standardisierten Tools auszuwerten. Darüber hinaus lassen sich die Daten dazu nutzen, die verwendeten Simulationskomponenten für den konkreten Einsatzzweck zu kalibrieren. So werden zukünftige Simulationen noch realistischer und somit aussagekräftiger. Neben Simulationen kann ein Modell der Fahrfunktion auch für eine automatisierte Absicherung herangezogen werden. Zum Beispiel sorgt das Fraunhofer ESK-Werkzeug Dana für eine passive Verifikation von Kommunikationsschnittstellen. Ein solches Modell einer Fahrfunktion kann auch als Spezifikation für einen Zulieferer oder die Umsetzung im Serienfahrzeug genutzt werden. Da die Werkzeuge der Prozessphasen ineinander greifen, ist es jederzeit möglich, einen Schritt vor oder zurück zu gehen. So können neue Erkenntnisse aus Erprobungsfahrten in das Modell einfließen und zuerst in der Simulationsumgebung evaluiert werden, bevor erneut aufwändige und kostspielige Fahrversuche durchgeführt werden müssen. Durch die sich wiederholende Nutzung des Modells im Entwicklungsprozess kann dieses zudem verbessert und abgesichert werden, sodass es als verifizierte Referenz zur automatisierten Überprüfung von Implementierungen herangezogen werden kann. Fraunhofer ESK bietet eine Toolkette für durchgängige Entwicklung, Evaluierung und Prototyping von verteilten kooperativen Fahrfunktionen. Damit sind Entwickler solcher Funktionen in der Lage, auf modellgetriebene Methoden und Werkzeuge zurückzugreifen – vom Entwurf über Verifikation und Simulation bis zum Prototyping für Versuchsfahrzeuge. Fahrzeughersteller, Zulieferer und Hersteller von Verkehrsinfrastrukturen können aber auch ihre eigenen Werkzeuge und Werkzeugketten weiter nutzen. Hierfür sind eine Analyse der Toolketten und eine Erstellung von Erweiterungen zum Schließen gegebenenfalls vorhandener Lücken hin zu einer durchgängigen Entwicklung hilfreich. Vernetzte Fahrfunktionen prägen die Mobilität von morgen. Sie setzen allerdings neue durchgängige Entwicklungsumgebungen zum Prototyping und zur Absicherung voraus: Dies ermöglicht die schnelle Umsetzung prototypischer Anwendungen für die Fahrzeug-Umwelt-Vernetzung und eine die Verifikation des Ablaufs der Nachrichtenkommunikation vernetzter Fahrzeugfunktionen, wie eines Gefahrenwarners. Solche Entwicklungsumgebungen sind natürlich nicht auf den Automotive-Bereich beschränkt. Sie eignen sich vielmehr zur Implementierung und Absicherung vernetzter Software im Embedded-Systems-Umfeld generell. Das gilt für die zahlreichen Domänen, in denen vernetzte eingebettete Systeme eingesetzt werden und die sich jetzt der zunehmenden Digitalisierung gegenübersehen. Zum Beispiel im Rahmen der Industrie 4.0 für die industrielle Fertigung: Dort kann eine solche Entwicklungsumgebung das Prototyping und die Absicherung von Steuerungssoftware in verteilten Produktionsanlagen unterstützen.

Autor: Dr. Gereon Weiß,
Gruppenleiter Entwurf und Absicherung Anwendungsarchitekturen,
Fraunhofer-Institut ESK in München
www.esk.fraunhofer.de

Autor: Dipl.-Ing. Josef Jiru,
Gruppenleiter Kommunikationstechnologien und -architekturen,
Fraunhofer-Institut ESK in München
www.esk.fraunhofer.de

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