„Die Lichter gehen nicht aus, wenn alle Autos laden!“

(Bild: Aradex AG)

IoT: Das heißt, die Definition muss stets im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen?

Vetter: Ja, ich muss immer die Verwendung meines Fahrzeuges im Blick behalten. Die meisten denken dass es reicht eine Funktion zu haben: „Da ist ein Dieselmotor drin, den tu ich raus, mache einen Elektromotor rein und bin dann fertig.“ Als das Automobil erfunden wurde hieß das im Übrigen am Anfang ‚Motordroschke‘. Aus der Pferdedroschke wurde eine Motordroschke. Man hat das Pferd und die Lederzüge weggemacht und dafür einen Benzinmotor eingebaut. So sahen die ersten Autos von Benz aus, das war eine Droschke. Das dauerte ungefähr 20 Jahre bis ein gewisser Herr Maibach, der Ingenieur bei Benz war, sagte: „Ein Automobil ist keine Motordroschke. Ein Automobil ist etwas eigenes. Wir müssen definieren worum es da geht.“ Genau das muss auch in der Elektromobilität einsetzen. Ein wirkliches Elektroauto ist nicht ein Benzinauto, wo man den Motor ausgetauscht hat. Das gilt auch für Nutzfahrzeuge.

IoT: Was bremst Ihrer Ansicht nach das Thema aus?

Vetter: Das Thema ist sehr vielschichtig. Ich sehe die Hauptfaktoren vor allem in der Reichweite und dem Preis, aber was deutlich mehr dazu beiträgt, ist die mangelnde Infrastruktr. Wir gehen davon aus, dass die Kapazitäten der Batterien deutlich nach oben gehen werden – hin zu einer Verdoppelung in wenigen Jahren. In Labors ist bereits eine Verzehnfachung sichtbar. Wenn das erst industrialisiert ist, reden wir von einer Reichweite in der 1.000Km-Klasse, da ist die Reichweite schlicht kein Thema mehr. Vor Szenarien nach dem Motto „Wenn alle Autos laden gehen die Lichter aus“ brauchen wir uns also nicht zu fürchten.

IoT: Und wie steht es um die preisliche Gestaltung?

Vetter: Hier muss man die Anwender und Kunden verstehen – und die Denkweise ändern. Wenn Sie an teure Arbeitsfahrzeuge denken, wie ein Straßenreinigungsfahrzeug, war es bisher unwichtig, ob ob es ein oder fünf mal in der Woche tankt. Wenn Sie aber eine Batterie, den Tank-Faktor 2 sozusagen, nach oben dimensionieren: doppelt so schwer, doppelt so teuer – dann ist das unbezahlbar. Es gibt also einen Wertewandel. Ich muss jede Anwendung nach ihrem Tagesverbrauch anschauen und gegebenenfalls anpassen. Hier haben wir uns inzwischen Werkzeuge geschaffen, wie man das genauer herausfinden kann. Technologisch sehen wir hier auch unsere Hauptarbeit: Wie können wir den Wirkungsgrad in diesem Teilbereich bessern? Dazu ein kurzer historischer Exkurs: Was für eine Wirkungsradzahl haben Sie bei einem Dieselmotor im Kopf? Meist liest man etwas von 35 bis 45 Prozent. Im Stadtverkehr kann man im Mittelklassewagen oder Omnibus schon froh sein, wenn man 15 Prozent erreicht. Das heißt der Wirkungsgrad im schleichenden Verkehr ist vielleicht noch ein Drittel von dem, was die Maschine eigentlich bei Nominalbetrieb hat.

IoT: Wieso wird der Wirkungsgrad dann bei Nennlast angegeben?

Vetter: Darüber kann ich nur schmunzeln. Das ist für ein Stammtischgespräch sicher interessant, aber doch für den Betriebsalltag einer Mobilitätsmaschine absolut unwichtig. Wichtig ist, was man im Realbetrieb hat. Gerade bei einem Omnibus ist der Teillastbereich, der Bereich den ich mit relativ wenig Leistung fahre, der dominierende. Wir haben das für den Omnibus im Stadtverkehr einer mittelgroßen Stadt mal protokolliert und haben herausgefunden, dass er zu 90 Prozent von den Stunden eine Leistung von weniger als 20 Prozent hatte von dem, was installiert ist.

IoT: Wo haben Sie mit ihrer Arbeit angesetzt?

Vetter: Wir versuchen zu ermöglichen, dass genau in diesem Bereich der unteren Teillast der Wirkungsgrad so hoch wie möglich geht. Dazu müssen Sie in den Motor eingreifen, in den Umrichter und in die Regelstrategie. Da holt man einige Prozentpunkte raus. Noch ein Beispiel: ein Transport-LKW versorgt den innerstädtischen Lieferbereich mit Getränken oder Lebensmitteln . Dort sind Batteriegrößen von 200 bis 300kWh installiert. Wenn Sie davon 10 Prozent sparen, dann sind Sie 20 bis 30kWh weniger unterwegs. Dann muss man gucken, wie viel diese 20 bis 30kWh kosten und das auf einige Jahre hochrechnen. Der Hauptansatz muss sein, die Effizienz im Realbetrieb zu erhöhen, die Batterien kleiner zu machen, und die Reichweite vergrößern. Die Reichweite sollte soweit sein, dass man während des Tages nicht mehr laden muss. Während des Tages andauernd einen Omnibus laden zu müssen ist ein komplett falscher Ansatz. Oder die Autobahn mit Oberleitungen voll zunageln, damit die LKWs zwei oder drei Stunden mit Oberleitung fahren, das halte ich nicht für erfolgversprechend.

IoT: Herr Vetter, vielen Dank für dieses sehr informative Gespräch. (clj)

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